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Ein Gespenst geht um in Europa, und es heißt Lehman. "Ein zweiter Fall Lehman muss unbedingt verhindert werden", warnt Kanzlerin Merkel mit Blick auf Griechenland. Die Angst, dass das globale Finanzsystem und die Weltwirtschaft wie nach dem Untergang der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 zum Stillstand kommen könnten, verfolgt Europas Politiker wie ein Alptraum. Wie nahe sind wir einem solchen Schreckensszenario? Und vor allem: Wie lässt es sich noch verhindern?
Dass die Lage ziemlich ernst ist, hat diese Woche Jean-Claude Trichet deutlich gemacht. Nach einem Treffen der europäischen Wächter für die Stabilität des Finanzsystems sagte der EZB-Chef, es herrsche Alarmstufe Rot. Auch an den Märkten bereitet man sich bereits auf das Schlimmste vor. Die Griechen tauschen ihre Euros in Goldmünzen. Die europäischen Banken haben bei der EZB in der vergangenen Woche 37 Prozent mehr Liquidität nachgefragt als in der Vorwoche. Ein Alarmsignal, es zeigt, dass sich die Banken untereinander nicht mehr über den Weg trauen.
Und die Angst breitet sich aus. In den USA warnen die Behörden, dass amerikanische Geldmarktfonds in Schwierigkeiten kommen könnten, sollten europäische Banken in den Strudel der Griechenland-Krise geraten. Wie in einer Kettenreaktion müssten die Fonds ihre Forderungen gegenüber den Banken abschreiben, wenn diese durch Verluste bei europäischen Staatsanleihen in eine Schieflage gerieten. Damit wären wir sehr nahe an einem Lehman-Szenario: Denn Geldmarktfonds gelten in den USA als so sicher wie Spareinlagen. Kommt es hier zu Ausfällen und Panik wie vor drei Jahren, gerät der gesamte Geldkreislauf der Wirtschaft ins Stocken.
Angesichts dieser Gefahren würde man erwarten, dass sich die Krisenmanager in Europa auf diesen Fall der Fälle vorbereiten. Doch die Politiker verfahren nach der Devise, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Auch deshalb rechtfertigt Merkel ihre Griechenland-Politik mit dem Unwort des Jahres "alternativlos" und räumt ein, dass man für andere Wege schlicht "keine Prozeduren" habe. Es gibt drei Jahre nach dem Fall Lehman Brothers noch immer keinen Plan B für einen geordneten Konkurs von überschuldeten Banken und Staaten. So viel zur Frage, wie weit wir mit der globalen Finanzreform gekommen sind.
Die Gefahr Griechenlands ist also nicht, dass das Land mit seinen knapp drei Prozent am EU-Sozialprodukt "too big to fail" wäre, sondern dass Europas Regierungen es versäumt haben, sich auf eine Staatspleite vorzubereiten. Die wichtigste Vorkehrung wäre ein europaweiter Rettungsfonds für jene Banken, die nach Kreditausfällen schnell mit neuem Kapital versorgt werden müssten. Ähnlich wie die amerikanischen Banken nach der Lehman-Pleite müssten alle Finanzhäuser, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, dafür harte Konditionen für die Rückzahlung und ihr Geschäftsgebaren akzeptieren.
Das Argument Merkels, dass eine neue Bankenrettung weniger akzeptabel sei als eine Rettung Griechenlands, sticht nicht: Die Hilfen für Athen dienen doch vor allem dazu, die europäischen Banken zu retten. Diesen Umweg kann man sich aber sparen.
Kaum besser vorbereitet als die Politiker sind die Notenbanker. Sie haben es versäumt, ihre übermäßige Geldversorgung nach der Krise zügig zurückzufahren. Die unverändert niedrigen Leitzinsen bieten kaum Spielraum, um einen erneuten Schock abzufedern. Die Zentralbanken müssten also noch mehr Geld drucken. Am Ende stünden wir vor den gleichen Inflations- und Schuldenproblemen wie heute - nur dass sie noch viel größer wären.
Der Autor ist internationaler Korrespondent in Zürich. Sie erreichen ihn unter: riecke@handelsblatt.com
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