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An den Rohstoffmärkten ist die Hoffnung auf Versorgungsengpässe stärker als die Sorge um den Zustand der Weltwirtschaft. Die Preise ziehen auf breiter Front an.
Die Notierungen für Öl, Gold und Industriemetalle legen deutlich zu: Nachdem seit Anfang Mai ein Abrutschen der Rohstoffpreise auf breiter Front zu beobachten war, gewinnen inzwischen die Preisoptimisten die Oberhand. Grund sind Meldungen über kurz- und langfristige Angebotsengpässe. Diese drängen die Euro-Schuldenkrise, schwache Konjunkturdaten aus den USA und China in den Hintergrund.
Der Ölpreis wird vor allem durch die Sorge um die Entwicklung in Libyen beeinflusst. Hier trefffen Angebotseinschnitte in Libyen und der Kapazitätsüberschuss des Ölförderkartells Opec aufeinander. Die Opec trifft sich Anfang Juni in Wien, um über die aktuellen Förderquoten zu beraten. "Der Markt preist zunehmend den Umstand ein, dass die Kapazitätsreserven mit dem Ausfall libyscher Fördermengen und den Unruhen im Nahen Osten schrumpfen werden", sagte Xin Yi Chen von Barclays Capital in Singapur. Deshalb gebe es beim Ölpreis eher Aufwärtspotenzial. Die Fundamentaldaten seien noch immer sehr stark.
Auch die Großbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley haben ihre Ölpreisprognosen angehoben, da der Konflikt in Libyen die Fördermenge des Landes mindert. Goldman erhöhte die Erwartung für Rohöl der Sorte WTI zum Jahresende von 105 auf 120 Dollar je Barrel (159 Liter). In zwölf Monaten sieht die Bank den Ölpreis bei 130 (107) Dollar und Ende kommenden Jahres bei 140 (120) Dollar. Der Markt werde sich 2012 auf ein kritisches Niveau verengen und der Ölpreis deutlich ansteigen, hieß es. Dies werde die Nachfrage dämpfen. Morgan Stanley erhöhte die Prognosen auf 120 Dollar für 2011 und 130 Dollar für 2012.
Die Commerzbank weist auch auf Probleme in Kanada und den USA hin. In der ölreichen Provinz Alberta beeinträchtigen Waldbrände die Produktion, in den USA sorgen überschwemmungen am Mississippi für Liefereinschränkungen per Schiff aus dem Golf von Mexiko. Dies sollte auch für sinkende Lagerbestände in den USA sorgen. Zudem schreibt die Bank: "Offensichtlich erachten einige Marktteilnehmer ein Preisniveau von 110 Dollar je Barrel bei Brent und von weniger als 100 Dollar je Barrel bei WTI angesichts der weiterhin bestehenden Risiken als Kaufgelegenheit."
Skeptisch äußerten sich hingegen die Rohstoffexperten der Unicredit. Sie sehen den Preis für ein Fass Brent Ende des Jahres "in Richtung 100 Dollar pro Fass". "Ursache hierfür ist eine leichte Abschwächung der Weltkonjunktur und der hohe Benzinpreis", heißt es in einer Studie. Im Jahresschnitt 2012 sehen sie den Preis bei 110 Dollar, 2012 bei 100 Dollar.
Auch Industriemetalle erholen sich, allen voran Kupfer. Das Metall gilt als Leitrohstoff bei den Industriemetallen. Aufgrund seiner großen Bedeutung im Bau- und Elektrobereich gilt als Konjunkturbarometer. Stützend wirkten Zahlen der Branchenorganisation International Copper Study Group, wonach es in den ersten beiden Monaten des Jahres ein Angebotsdefizit gegeben hätte.
In den Fokus rückt bei den Industriemetallen China. Aufgrund der Energieprobleme und den zu erwartenden Stromausfällen im Sommer sollte es zu einem Rückgang der Edelstahl- und der Aluminiumproduktion kommen, was mittelfristig den Preis anheizen könnte. Bei Stahl steht China für 46,5 Prozent der Weltproduktion, bei Aluminium für gut 40 Prozent.
Ungeachtet der unklaren Situation bei anderen Rohstoffen, steigt der Goldpreis. Die Notierung für das gelbe Metall kletterte auf 1518,05 Dollar je Feinunze (31,3 g). Getrieben wird der Preisanstieg von der ETF-Nachfrage. Der weltgrößte Gold-ETF, SPDR Gold Trust, verzeichnete in den vergangenen zwei Tagen Zuflüsse von 18 Tonnen. Das sei mehr als die weltweite Minenproduktion, welche pro Tag knapp sieben Tonnen betrage, analysierte die Commerzbank. Gold gilt als Kriseninvestment in unsicheren Zeiten und als Inflationsschutz.
Neben der Investmentnachfrage spielt hier auch der stärkere Dollar eine Rolle. "Wir behalten unsere langfristige Sicht zu Gold im Kern bei", schreibt Analyst Walter de Wet von der Standard Bank in einem Bericht. "Wir gehen davon aus, dass der Goldpreis in Dollar anziehen wird. Angesichts der sich zuspitzenden Schuldenkrise in Europa dürfte er sich in Euro betrachtet jedoch noch stärker entwickeln."
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